Politikwissenschaftler

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Vom Ende eines Traums- als westlicher Ausländer in China

Vor vielleicht 20 Jahren konnte man als gut ausgebildeter westlicher Ausländer, als “Expat“, in der VR China wie ein kleiner Gott leben. Wenn man als Deutsche(r) in die chinesische Provinz kam, konnte es passieren, dass man von neugierigen Menschentrauben umringt und fasziniert angefasst wurde- ein „Laowei“ war damals so etwas wie ein Alien.

Ich selbst erinnere mich, wie in der Provinz Jiangsu kleine Kinder ob meiner Körpergröße und Augenform fassungslos, aber nie unfreundlich oder verängstigt, waren.  Noch 2009 war China für viele Expats wie der wilde Westen zur Goldgräberzeit. Alles war möglich, billig, aber auch futuristisch modern, eine Zivilgesellschaft bildete sich langsam, und alle waren dabei sehr freundlich und aufgeschlossen.

So kam es vor, dass bei der Eröffnung irgendeiner chinesischen Firma westliche Männer in Anzüge gesteckt und bei der Feierlichkeit als „amerikanische Investoren“ vorgezeigt wurden- sie mussten nur lächeln und repräsentieren, anschließend gab es Geld und die Schauspieler zogen weiter- zum nächsten Event.

Und Chinakunde war ein Studienfach, das goldene Zukunft versprach. Gefühlt konnte jede verkrachte Existenz zwischen Australien und Nordamerika an irgendeiner kleinen chinesischen Klitsche Englischlehrer werden und davon gut leben- ein bisschen unterrichten, ein bisschen Chinesisch lernen und sonst in den extra für Westler eröffneten Bars importiertes Budweiser trinken und für ein paar Cent die neuesten Hollywoodfilme als Raubkopie ansehen.

Die Vorteile als Westler in China sind Stück für Stück weggefallen. Nicht nur die beinharte Zero Covid Politik verschreckt die Expats. Nicht nur der endlose Lockdown in Shanghai, auch wochenlange Quarantäne bei Wiedereinreise verstört die Ausländer. Wer chinesische Familie hat, reist lieber nicht aus, denn möglicherweise gibt es gar kein Visum für die Rückkehr. 

Zudem wird das Klima in der Volksrepublik immer fremdenfeindlicher und nationalistischer. Wurde man früher fasziniert als Exot bestaunt, wird man heute nicht in ein chinesisches Lokal gelassen- die chinesischen Gäste würden einen als Covidüberträger ansehen. Zunehmende Überwachung und Ideologisierung verderben auch den Studierenden die Freude an China- Sinologie gilt nicht mehr unbedingt als Zukunftsfach, die Zahl deutscher Studierender in China beträgt aktuell zwischen 5 und 10 Personen- im ganzen Land. Ein Expat zählte die Kameras zwischen Haustür und Fahrradweg- bei 100 hörte er auf.

Viele blenden die schwierige Situation aus, andere sind zutiefst traurig über die chinesische Abschottung. Dabei ist die Zero Covid Politik häufig nur ein Vorwand, um noch mehr staatliche Kontrolle durchzudrücken. So überlegen viele westliche Firmen, ihre Asia Headquarters von Shanghai nach Singapur zu verlegen- in den letzten 15 Jahren war es andersrum. Auch in der gehobenen chinesischen Hotellerie werden nicht mehr viele westliche Expats benötigt, das war jahrzehntelang anders. In einem ist man sich einig- so wie vor 2012 wird es nicht mehr. Der chinesische Traum ist zunächst ausgeträumt.

Lockdown in Shanghai- die andere Seite

Der rigide Lockdown in Shanghai trifft die modernste Stadt Chinas ins Mark. Erhebliche Schwierigkeiten bei der Lebensmittelversorgung belasten chinesische und westliche Einwohner gleichermaßen, infizierte Personen werden in riesigen Messehallen zusammengepfercht und ohne medizinische Versorgung unter einfachsten sanitären Bedingungen eingesperrt.  Der chinesischen Regierung ist die Kontrolle offenbar entglitten…oder etwa doch nicht?

Kritik und Entsetzen machen sich in der Bevölkerung breit und mittlerweile auch in chinesischen sozialen Netzwerken Luft- zaghaft erst, aber doch unübersehbar. Obwohl immer noch alles der Zensur unterliegt, erkennt Peking mittlerweile die Sprengkraft des Lockdowns und läßt immer mehr öffentliche Kritik zu. Dabei ist es keineswegs so, dass ein böswilliges planloses Chaosregime hier am Werk wäre. Ein genauerer Blick ist notwendig.

Natürlich ist es eine böse Überraschung, dass die bisher so effiziente und flexible chinesische Regierung 26 Millionen Menschen mit offenem Ende in ihren Wohnungen einschließt. Die Angst vor Omikron hat aber in der Volksrepublik einen ernsten Hintergrund. Westliche Impfstoffe sind nicht zugelassen, die chinesischen schützen nicht ausreichend. So sind in Hongkong viele auf Omikron beruhende Todesfälle vorgekommen. Zudem ist die Versorgung des chinesischen Staats mit Krankenhäusern nicht mit der in westlichen Industrieländern vergleichbar. China kann es sich schlicht nicht leisten, Zehntausende Menschen mit schweren Verläufen in Hospitälern angemessen zu behandeln und etwa künstlich zu beatmen. Die Einweisung der infizierten Bewohner Shanghais in den Messehallen ist daher genauso eine Schutzmaßnahme wie der anhaltende Lockdown. Dem Argument, in den Messehallen würden sich die Menschen erst recht anstecken, ist entgegenzuhalten, dass ja ohnehin nur  Corona Infizierte dort eingewiesen werden.  Eine weitere Ansteckung kann somit eigentlich nicht mehr erfolgen, allerhöchstens ein unbehandelter Verlauf. Doch bisher ist nichts von massenhaftem Sterben in den Hallen bekannt.

Es ist natürlich zu hoffen, dass bald wirksamere Maßnahmen gegen Omikron angewendet werden, wie etwa die Zulassung westlicher MRNA Impfstoffe. Doch das Pekinger Chaosmanagement ist das Resultat einer überforderten Regierung, die in den vergangenen zwei Jahreneigentlich  immer auf der Erfolgsspur war. Auch Peking lernt aus Fehlern. Und seien wir ehrlich: weder die letzte noch die gegenwärtige deutsche Bundesregierung hatten immer zu jeder Zeit die Lage im Griff.

Wann wird die Volksrepublik eine Demokratie?

Die Kritik an den Menschenrechtsverletzungen der VR China ist mindestens so alt wie die Volksrepublik selbst. Im Zuge des zunehmenden zumeist wirtschaftlichen Austausches seit der chinesischen Öffnungspolitik 1978 nimmt sie immer mal wieder zu und auch wieder ab. Sie war eine Zeit lang mehr ein notwendiges und eher lästiges Übel, eine  zur Verpflichtung neigende Begleiterscheinung immer neuer deutscher Wirtschaftsabkommen oder Kanzler(innen)reisen. Mittlerweile hat sich das geändert. Die neue Bundesaußenministerin Annalena Baerbock möchte „Klartext reden“, die Regierung in Peking wurde bereits von Donald Trump als harter wirtschaftlicher Konkurrent mit Strafzöllen belegt und von der Europäischen Union als „systemischer Wettbewerber“ eingeordnet. Dabei wird ja immer noch gefordert (oder zumindest gehofft) dass China eines Tages demokratisch werden würde.

Mit der Demokratie ist das so eine Sache. Nicht zuletzt der Dichter Bert Brecht, immerhin lange in der sozialistischen DDR ansässig, wusste zu verkünden: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“. Das „Fressen“ hat die VR China in den vergangenen Jahrzehnten sehr erfolgreich umgesetzt, Hunderte von Millionen Chinesen wurden aus absoluter Armut befreit. Die Moral lässt in der chinesischen Gesellschaft zu wünschen übrig, doch auch hier versucht die Regierung durch die Antikorruptionskampagne der letzten Jahre und das Sozialkreditsystem Abhilfe zu schaffen. Wann kommt denn nun Demokratie und Rechtsstaatlichkeit? Kann es nicht doch „von aussen“ zu einer Veränderung kommen?

Keine einzige „Zwangsdemokratisierung“ seit den erfolgreichen Beispielen des ehemaligen Deutschen Reiches und des japanischen Kaiserreiches nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Erfolg, weder im Irak, noch in Afghanistan oder Bosnien-Herzegovina. Anders sieht es aus, wenn autoritäre Systeme von innen her Veränderungen durchlaufen- hier sind die ehemaligen sozialistischen Staaten Osteuropas oder die chinesische Insel Taiwan ein gutes Beispiel. Was also bringt eine Forderung an das zweitmächtigste Land der Welt, endlich die Menschenrechte zu beachten und demokratisch zu werden?

Osteuropa hat im Falle Polens und Ungarns mittlerweile sehr autoritäre Regierungen demokratisch gewählt. Seitdem ist zumindest die Rechtsstaatlichkeit nicht mehr vorherrschend in beiden Staaten. Taiwan war viele Jahre eine Militärdiktatur. Viele Intellektuelle innerhalb der VR China lehnen das Beispiel Taiwans ab, sie möchten etwas „genuin Chinesisches“ für die Volksrepublik und unterstellen Taiwan, nur den westlichen Demokratien nachzueifern und „der beste Schüler des Westens“ sein zu wollen. Die ehemalige britische  Kronkolonie Hongkong sowie der wirtschaftlich höchst erfolgreichen Zwergstaat Singapur waren bzw. sind Rechtsstaaten, hatten bzw. haben aber keine demokratischen Strukturen. Zudem vertritt die Wann wird die Volksrepublik eine chinesische Regierung die These von „sozialen“ Menschenrechten vor individuellen Freiheitsrechten, und diese würde Peking ja erfüllen.

Was folgt daraus? Man sollte sich von der Idee verabschieden, dass die VR China auf absehbare Zeit, wenn überhaupt jemals, eine rechtsstaatliche Demokratie werden wird. Die KP Chinas hat immer wieder ihre ideologische und praktische Flexibilität bewiesen. Man sollte davon ausgehen, dass China so bleiben wird, wie es ist…und entsprechend politisch handeln. China ist ein faszinierendes Land, aber eben auch ein völlig anderes System. Und damit muss man sich abfinden.

Das Sozialverhalten des Herrn Li

Um die Zustimmung vieler Chinesen zu dem Sozialkreditsystem zu verstehen, ist es hilfreich, einen Blick auf die moralische Verfasstheit des Milliardenvolkes zu werfen. Durch die Verwerfungen der Mao Zeit und den sozial kaum abgefederten wirtschaftlichen Turboaufstieg der letzten Jahrzehnte hat sich eine gesellschaftliche Haltung herausgebildetet, die man getrost als sozialdarwinistisch bezeichnen darf.

Um sich dem Sozialverhalten des durchschnittlichen Chinesen ( nennen wir ihn Herrn Li) zu nähern, kann man sich drei konzentrische Kreise vorstellen. In jedem Kreis interagiert Herr Li anders mit seiner Umwelt.

Der erste Kreis umfasst die engsten Bezugspersonen. Familie und ganz enge Freunde gehören dazu. Hier ist Herr Li absolut ehrlich und zuverlässig, für sie tut er alles. Wer einmal in diesen ersten Kreis reinkommt, zb durch Heirat, hat Menschen um sich, die im Wortsinn alles für ihn tun würden.

Der zweite Kreis betrifft nicht ganz so enge Bezugspersonen, die für Herrn Li in irgendeiner Form wichtig sind. Arbeitskollegen, oberflächliche Bekannte in wichtigen und möglicherweise nützlichen Funktionen in Ämtern, Schulen, Arztpraxen oder Geschäftspartner in Unternehmen. Hier sichert Herr Li sich ein Netz, auf dass er zurückgreifen kann. Dies soll dann greifen, wenn er beispielweise seine Kinder auf eine gute Schule bringen will, Ärger mit Behörden hat oder ein besonders wichtiges Geschäft abschließen möchte. Er vertraut dabei nicht „dem Amt“ oder „der Schule“ wie in der Bundesrepublik, sondern nur den Leuten, die er dort kennt. Das läuft dann über gegenseitige Gefälligkeiten und den dann daraus entstehenden Verbindlichkeiten.

Der dritte Kreis umfasst den Rest der Gesellschaft. Hier herrscht für Herrn Li der absolute Dschungel. Hier traut er niemanden und setzt bei jedem das gleiche Misstrauen voraus. Es gelten keine Regeln. Ein konkretes Beispiel verdeutlicht das gut: Autounfälle in China sind bis jetzt ein Risiko, nicht nur für die Unfallbeteiligten. Man denke sich folgenden Fall: eine Chinesin stürzt unglücklich und liegt verletzt auf der Strasse. Ein Passant leistet erste Hilfe. Das Unfallopfer kommt ins Krankenhaus und wird wieder gesund.

Sie verklagt den Helfer vor Gericht. Er hätte ihr nicht richtig geholfen,  irgendwas falsch gemacht, sie hätte nun immer wieder Schmerzen. Der Helfer wird zu Schmerzensgeld verurteilt. In der Urteilsbegründung führt der Richter aus, dass es völlig ungewöhnlich und deswegen nicht vorstellbar sei, dass jemand aus Mitleid erste Hilfe leisten würde ohne unlautere Absicht. Deswegen muss der Helfer irgendeine üble Absicht gehabt haben und sei daher zu verurteilen. Dieser Fall hat sich tatsächlich so ähnlich zugetragen und zeigt die völlige Demoralisierung der gegenwärtigen chinesischen Gesellschaft.

Es ist nicht klar, ob Zwangsmaßnahmen wie das Sozialkreditsystem wirklich etwas ändern werden. Andererseits ist  zumindest der Versuch der Regierung in Peking erkennbar, dem sozialen Wildwuchs etwas entgegenzusetzen. Und das ist ja nicht das schlechteste.

War Japan das erfolgreichere China?

Wenn man sich das historische Kaiserreich Japan bis 1945 und die Republik Japan  in den Jahrzehnten  nach dem Zweiten Weltkrieg ansieht, fallen bei näherer Betrachtung einige beunruhigende Parallelen zur heutigen Volksrepublik China auf. Es scheint fast so, als hätte Japan vorweggenommen, was China jetzt bereit ist zu erreichen: wirtschaftliche und militärische Macht.

Wo sind die Unterschiede, und welche Ähnlichkeiten gibt es?

Japan hat eine große Geschichte hinter sich. Die teilt sich in zwei unterschiedliche Zeitebenen.  Damit ist nicht das historische Japan früherer Jahrhunderte gemeint, das Japan der mittlerweile im Westen sehr populären Samurai, Angehörige einer aristokratischen Kriegerschicht.  Damals hatte Japan ebenso wie das kaiserliche China eine große Geschichte. Der mit dem heutigen China vergleichbare Aufstieg Japans begann mit der Meiji Restauration 1868. Der damalige Kaiser Meiji war entsetzt über die militärische Drohkulisse des US-amerikanischen Commodore Perry, der 1854 das bisher von der Welt abgeschottete Japan  mit modernen Kanonenbooten zu einer wirtschaftlichen Öffnung zwang. Diese Demütigung konnten die stolzen Japaner nicht verwinden. Der japanische Kaiser Meiji reformierte und modernisierte das Land nach US-europäischem Vorbild. Die Armee wurde von den bisher dominierenden Samurai getrennt und nach westlichem Vorbild in eine Wehrpflichtarmee umgewandelt. Militärischer Widerstand der Samurai wurde niedergeschlagen. Zudem gab es wirtschaftliche Modernisierungen wie massive Investitionen in die Eisenbahn. Das moderne Japan war schon bald in der Lage, erfolgreich Kriege gegen China zu führen und Formosa, das spätere Taiwan, zu erobern.

1904 kam es zu einem bedeutenden Sieg Japans  im Krieg gegen Russland, der Schockwellen in der europäischen Öffentlichkeit auslöste. Zum ersten Mal hatte ein asiatisches Land eine im damaligen Duktus „weiss“ genannte Großmacht wie Russland besiegt. Japan wurde damit ein ernstzunehmender Konkurrent im europäischen Großmächtekonzert der damaligen Zeit

Nach dem ersten Weltkrieg wendeten sich die japanischen Reformen ins Unheilvolle. Japan annektiere 1910 Korea und hielt es bis 1945 besetzt. Um den in den japanischen Augen verdienten Status als Großmacht  zu erhalten, begann die japanische Armee einen Eroberungskrieg, der ab 1937 große Gebiete in China und ab 1941 im Zweiten Weltkrieg als Verbündeter von Nazi-Deutschland ganz Südostasien unter japanische Kontrolle brachte. Dabei waren die europäischen Kolonialmächte der Hauptfeind, auch die USA wurde in Pearl Harbor militärisch empfindlich getroffen. Japan definierte sich als überlegene Rasse und wollte eine Großasiatische Wohlstandssphäre unter japanischer Führung durchsetzen.  Dabei wurden schlimme Kriegsverbrechen von der japanischen Armee begangen, die nach der bedingungslosen Kapitulation 1945 in mehreren Kriegsverbrecherprozessen durch die Siegermächte juristisch aufgearbeitet wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das kriegszerstörte Japan durch die USA zwangsdemokratisiert und begann ab den 1950er Jahren,  wirtschaftlich aufzublühen. So kam es infolge des Koreakrieges 1950 zu Milliardenaufträgen für die japanische Industrie, die USA schlossen ein Freihandelsabkommen mit Japan. Da die japanische Bürokratie ebenso wie der Kaiser nach der Kapitulation weitgehend unangetastet blieben, sorgten dieselben Strategen in den Ministerien  für die wirtschaftliche Expansion, die vorher die Kriegswirtschaft  organisiert hatten.

Das neue Japan wollte unbedingt vom Ausland lernen. Der amerikanische Qualitätsmanagementexperte William Deming unterrichtete ab 1950 viele japanische Führungskräfte, so auch den späteren Sony-Gründer Akio Morita. Die Japaner lernten von General Motors und anderen erfolgreichen ausländischen Unternehmen. Während die heimischen Märkte abgeriegelt wurden, wurden die Märkte im Ausland geradezu überschwemmt mit japanischer Technologie und anderen Produkten. Dabei kopierten die Japaner westliche Produkte. Mit einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 10 Prozent pro Jahr wurde Japan 1980 größter Autoproduzent der Welt. Sony entwickelte den Walkman. Die Preispolitik war brutal, Japan brachte Waren unterhalb des Selbstkostenpreises auf den Markt. Millionen Japaner wanderten aus dem Land in die Städte, arbeiteten 60 Stunden die Woche und  hatten kaum Urlaub.

Japaner kauften das New Yorker Rockefeller Center ebenso wie das Hamburger Hotel Vier Jahreszeiten, 1989 wurde das Hollywoodstudio Columbia Pictures japanisch. Im Westen stieg die Angst vor einem Ausverkauf wichtiger Unternehmen an die  Japaner, Japan war auf dem Weg zur größten Wirtschaftsmacht des 21, Jahrhundert.


Anfang der 1990er Jahre kam es durch eine ungebremste Spekulation in Vermögenswerte zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch, in dessen Folge eine  langanhaltende Rezession Japan plagte. Bis zum  Jahr 2001 wuchs die Wirtschaft nur noch um rund ein Prozent. Mittlerweile hat sich Japan erholt und ist immer noch drittgrößte Volkswirtschaft der Welt.

Die unblutige und leicht erzwungene japanische Öffnung durch den US Admiral Perry verlief anders als in China. Die damaligen japanischen Samurai waren mit ihren erprobten Ordnungsschemata den „langnasigen Barbaren“ mit ihren modernen Waffen restlos unterlegen und mussten einen radikalen Neuanfang wagen, um weiteren Eroberungen zu vermeiden. Die Chinesen hatten dagegen im 19. Jahrhundert das Gefühl, ihre Methoden der Fremdenabwehr würden noch greifen, da das kaiserliche Zentrum des Reiches in Peking nach der erzwungenen chinesischen Öffnung noch nicht bedroht wurde. Zudem hatten die mit Grenzfragen befassten chinesischen Beamten eine größere Erfahrung im Umgang mit Ausländern als ihre japanischen Pendants. Erst die Zerstörung des Sommerpalastes im Rahmen der militärischen Intervention von acht ausländischen Mächten zur Niederschlagung des Boxeraufstands 1900 führte zu dem Trauma der Demütigung und Verwundbarkeit.

Das kommunistische China wiederholte die Reformen Japans- allerdings im Zeitraffer. Nach den Hungersnöten und dem Chaos der Mao Zeit verordnete der neue Machthaber Deng Xiaoping neue Wege: er erlaubte privates Unternehmertum in kleinem Maßstab, öffnete das bisher völlig abgeschottete Land für ausländische Investoren und führte Sonderwirtschaftszonen ein. In speziell ausgewiesenen Zonen durften ausländische Firmen fast ohne Einschränkungen produzieren- sie mussten lediglich ihr technisches Know How mit der chinesischen Regierung teilen. Das war das Eingangstor für den chinesischen Aufstieg zur wirtschaftlichen Supermacht. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Volksrepublik zum Weltmeister im Kopieren- nicht nur von Produkten, sondern auch in den Formen kapitalistischer Arbeitsweise. Dabei bewies die Kommunistische Partei unter Dengs indirekter Führung eine erstaunliche Flexibilität: Strategien und Techniken des Auslands wurden in Teilen übernommen und in die weiterhin herrschende offizielle kommunistische Ideologie eingebettet. Der Machterhalt der Kommunistischen Partei war nie ernsthaft gefährdet. Im Grunde genommen funktionierte die Volksrepublik nach 1978 wie ein gigantischer Hybrid- eine Mischung aus vermeintlich unvereinbaren Gegensätzen, die doch erfolgreich nebeneinander koexistierten und durch die der Volksrepublik in 30 Jahren möglich wurde, wofür Japan etwa ein Jahrhundert brauchte: Wirtschaftliche Supermacht, ein scheinbar modernes Land mit Stadtlandschaften, die New Yorks Skyline in den Schatten stellten. Dabei wurden die chinesischen Streitkräfte im Rahmen des wirtschaftlichen Aufschwungs ebenfalls erheblich modernisiert. Im Gegensatz zu Japan verzichtete die Volksrepublik auf militärische Eroberungen oder prestigeträchtige Kriegserfolge, wie etwa der japanisch-russische Krieg einer gewesen war. Deng gab die sinngemäße Losung aus, die wahre Stärke zu verschleiern und international verbindlich und freundlich aufzutreten. Das Peking durchaus ohne Skrupel und mit erheblicher Brutalität zuschlagen konnte zeigte sich fast nur im Innern des Riesenreiches, etwa in Tibet oder Xingjiang. Eine der wenigen Ausnahmen war eine als Erziehungsaktion gedachte kurze militärische Aktion gegen Vietnam 1979. China wurde international als harter wirtschaftlicher Wettbewerber wahrgenommen und blieb gleichzeitig politisch kooperativ. Das chinesische Mantra lautete „keine Einmischungen in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten“. Ein Schlagwort zur Beschreibung des chinesischen Einflusses in der Welt lautete „Soft Power, weiche Macht im Sinne von Kooperation, Überredung oder Vorbildfunktion statt Drohungen oder Gewalt. Das alles funktionerte dreißig Jahre gut, am Ende war Peking dort, wo Japan lange vorher war-  Platz 3, später 2 auf der Liste der wirtschaftlich bedeutensten Staaten der Welt.

China verwendet die Erinnerung an die Demütigung durch die Kolonialmächte, um  die eigene Bevölkerung auf Linie zu bringen- sie sollen die neue militärische und machtpolitische Größe als legitime Reaktion auf die Schikanen des „schwachen Chinas“ früherer Jahrhunderte verstehen und verinnerlichen. China war Großmacht und möchte es wieder sein. Und dieser Machtanspruch hilft auch der Kommunistischen Partei, ihre Herrschaft weiterhin zu legitimieren und abzusichern.

Eine weitere Parallele zu Japan ist die starke Kopiertätigkeit, mit denen die Chinesen sowohl westliche Produkte als auch wirtschaftliche Methoden nachahmten und dadurch wirtschaftlich erfolgreich wurden.  Auch das Angebot vieler Produkte zu Dumping Preisen ist mit der japanischen Wirtschaft vergleichbar- das zeigt sich zum Beispiel in der „Überschwemmung“ afrikanischer Märkte mit billigen Textilien aus chinesischer Produktion, mit denen die afrikanischen Händler nicht mithalten können. Zudem arbeiten viele Chinesen“ bis zum Umfallen, auch hier gibt es Ähnlichkeiten zu Japan. Die Formel 9-6-9 ist dafür Zeuge- sechs Tage die Woche arbeiten Millionen Chinesen von 9 Uhr morgens bis 21 Uhr abends.

Der große Unterschied zu Japan bestand dabei nicht im rein technisch-wirtschaftlichem Handeln, sondern fand seine Herausforderung im geistigen Überbau- die Japaner blieben ihrer Kultur treu ohne größere Anpassung. Die Chinesen mussten eine kommunistische Ideologie neu interpretieren und den marktwirtschaftlichen Erfordernissen anpassen. Das geschah gerade nach dem Niedergang des Weltkommunismus 1990 in sehr geschicktem und hochflexiblem Maße. Während Japan die durch die US Besatzer erzwungene Demokratisierung problemlos in ihr monarchisches System integrieren konnte, mussten die Chinesen mehrerer Herausforderungen gleichzeitig bestehen: die Jahrhundertverbrechen Mao Zedongs zum Teil verdammen, zum Teil entschuldigen, um ihren zum Halbgott aufgestiegenen Führer nicht zu entweihen. Die Macht der Kommunistischen Partei durfte nicht erodieren wie in der Sowjetunion, und die kommunistische Ideologie sollte mit den marktwirtschaftlichen Notwendigkeiten symbiotisch verwoben werden.

Bedenkt man, dass das kriegszerstörte Japan westliches Startkapital erhielt, hatten die Chinesen einen wesentlich schwereren Start und mussten durch ihre eigene Schläue Kapital einwerben. Dafür gelang der Aufstieg zur wirtschaftlichen Weltspitze wesentlich schneller als im Falle Japans.

Ein evidenter Unterschied zum chinesischen Aufstieg stellt die Zweiteilung der japanischen Erfolge da. Zunächst war da ein politischer und militärischer Modernisierungskurs aus eigener Kraft, der in kriegerischem Größenwahn und der völligen moralischen und militärischen Niederlage endete. Dann bekam Japan eine friedlich-demokratische Regierung, die sich nur auf wirtschaftliche Reformen und Erfolge konzentrierte. In der japanischen Verfassung verzichtete Japan auf eine eigene Armee, abgesehen von wenigen Selbstverteidigungsstreitkräften. Bei China verlief der Aufstieg umgekehrt, erst konzentrierte sich die Kommunistische Partei auf den Aufstieg zur wirtschaftlichen Weltspitze und hielt sich politisch zurück. Erst in den letzten Jahren änderte sich Chinas Verhältnis zu militärischer Macht. 2017 kündigte der chinesische Präsident Xi Xinping auf dem 19. Parteikongress an, dass China bis 2035 eine grundlegende Modernisierung der Armee durchgeführt und bis 2049 die „führende Armee“ aufgebaut haben will. Man sollte solche Aussagen ernst nehmen. Jedes Jahr werden die chinesischen Militärausgaben erhöht.

Dabei rückt insbesondere die chinesische Marine in den Fokus, die jetzt bereits zahlenmäßig die größte der Welt ist. Auch die reine Truppenstärke ist mit zwei Millionen aktiven Soldaten die größte der Welt. 2017 richtete China seine erste ausländische Militärbasis im afrikanischen Dschibuti ein.

Chinesische Kriegsschiffe patroullieren verstärkt im Indischen Ozean. Mit Indien gab es ein Grenzscharmützel. Taiwan fühlt sich konkret bedroht durch Peking. Würde Taiwan sich offiziell für unabhängig erklären, droht China mit einer Invasion.

Wird China den japanischen Weg militärischer Abenteuer einschlagen? Tatsächlich ist alles offen bei der Frage, wie sich die chinesische Macht langfristig auf die internationale Gesellschaft auswirken wird. Aber die Chinesen denken in anderen Zeiträumen als westliche Regierungen, sie haben Jahrhundertziele. Und von einem darf man ausgehen: die Kommunistische Partei hat Zeit- und mit Sicherheit einen Plan.

Ist Xi Xinping ein neuer Mao?

Auf den ersten Blick könnte man dieser Meinung sein. Xi ist Präsident auf Lebenszeit, vereint mehr Macht auf sich als jeder seiner Vorgänger seit Mao und überzieht die Volksrepublik China mit einer harten marxistischen Ideologie. Doch bei näherem Hinsehen kann man feststellen, dass der Vergleich nicht aufgeht.

Xi verfügt weder über das mitreissende Charisma von Mao, dass ja bis ins Westeuropa der Studentenrevolution ausstrahlte, noch über Maos massenmörderischen Wahnsinn. Xi ist ein kontrollierter, aus der Parteihierarchie hervorgegangener Berufspolitiker. Mao lebte auf im Chaos, langweilte sich wenn die Gesellschaft in ruhigen Bahnen floss. Er fürchtete  um seine Macht, legte lieber alles in Trümmer, wie bei der Kulturrevolution, als seine Nachfolge zu regeln.

Xi vertritt das Gegenteil, er betont immer wieder Begriffe wie „Harmonie“ und „Stabilität“. Natürlich geht das mit völliger Kontrolle einher, da besteht kein Unterschied zu Mao.

Dabei fällt es Xi insoweit leichter als Mao, seine allumfassende Macht zu festigen, als dass er keine bedeutenden innerparteilichen Gegenspieler hat. Mao musste sich mit dem ehemaligen chinesischen Verteidigungsminister Marschall Peng auseinandersetzen, der als einziger führender Politiker die von Mao verursachte Hungerkatastrophe des „Großen Sprungs nach vorn“ offen kritisierte.

Die Tatsache, dass Xi Präsident auf Lebenszeit bleibt, ist auch kein Zeichen einer Mao-Nachfolge. Tatsächlich ist das Amt des chinesischen Präsidenten nicht annähernd so relevant wie es immer dargestellt wird. Das wirklich wichtige Amt ist vielmehr das des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei-, und da gab es noch nie eine zeitliche Begrenzung.

Am Ende spielt auch das internationale Umfeld eine Rolle. Zu Maos Zeiten war die Volksrepublik China weitgehend abgeschottet vom Rest der Welt, es gab keine sozialen Medien, die innerchinesische Ereignisse in Echtzeit um den Erdball senden konnten. Die Jahrhundertverbrechen Maos waren weitgehend unbekannt.

Das China Xis dagegen ist so verflochten mit der Welt wie nie zuvor in der Geschichte. Deshalb ist die Ideologie für Xi das wichtigste Mittel zur Kontrolle der Kommunistischen Partei und darüber auch des Volkes. Mao hat China in die Unabhängigkeit geführt. Xi möchte es zu der Weltmacht machen, die es für Mao immer sein sollte – ohne jede Rücksicht. In der Hinsicht ähnelt er Mao dann doch.

Chinas Einfluss im Westen

In den internationalen Medien häufen sich Berichte über die Einflussnahme der chinesischen Regierung auf Institutionen und Entscheidungsträger der westlichen Welt. Welcher Methoden bedient sich Peking? Welche Ziele verfolgt die chinesische Regierung? Und hat sie damit auch Erfolg?

Die Chinawissenschaftler Mareike Ohlberg und Clive Hamilton untersuchen in ihrem 2020 in der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA) erschienenem Buch „Die lautlose Eroberung- wie China westliche Demokratien unterwandert und die Welt neu ordnet“, auf welche Weise die chinesische Regierung europäische, US-amerikanische und australische Institutionen unterwandert und in ihrem eigenen Sinne manipuliert.

Die beiden Autoren belegen anhand einer Fülle von Einzelbeispielen, auf welche Weise die Kommunistische Partei auf westliche Institutionen und Entscheidungsträger Einfluss nimmt. Dabei werden die verantwortlichen chinesischen Akteure klar benannt. Laut den Autoren bedient sich die Kommunistische Partei der altkommunistischen Idee der Einheitsfrontpolitik. 1921 entwickelt, bedeutet Einheitsfront eine Strategie der damaligen kommunistischen Internationalen, zusammen mit anderen kommunistischen und auch sozialdemokratischen Parteien darauf hinzuarbeiten, die Interessen der Arbeiterklasse gegen die Großgrundbesitzer und den Faschismus durchzusetzen. Heute können unter Einheitsfront alle chinesischen Akteure, von jedem Amt bis hin zu großen Wirtschaftsunternehmen verstanden werden. Das Ziel der Einheitsfront arbeiten die Autoren klar heraus.

Die Verfasser stellen die These auf, dass die Kommunistische Partei die Vorstellung der Welt von China umgestalten will. Durch eine Peking genehme ausländische Sicht auf China ist es leichter, den globalen Einfluss Chinas zu erhöhen. China soll langfristig zur wichtigsten globalen Macht werden.

Die Methoden dazu werden auch genannt. Die chinesische Regierung versucht, durch diplomatischen Druck internationale Bündnisse umzuformen und durch die Manipulation von Medien und Universitäten ihre Ziele zu erreichen.

Die Autoren sehen die Kommunistische Partei immer noch im Kalten Krieg. Der Feind ist das westliche liberaldemokratische System. Peking nimmt für sich in Anspruch, für das gesamte chinesische Volk, ja selbst für die häufig in Chinatowns sozialisierten Auslandschinesen zu sprechen. Da legen die Autoren den Finger in die Wunde.

Für sie ist klar, dass der wirtschaftliche Wettbewerb zwischen der Volksrepublik China und den westlichen Staaten eben kein Zusammenstoß gegensätzlicher Zivilisationen sei, wie es oft heißt. Sie trennen ausdrücklich zwischen dem chinesischen Volk und der Kommunistischen Partei, die sie als leninistische autoritäre Regierung mit den üblichen realsozialistischen Anhängseln Politbüro, Zentralkomitee und Generalsekretär klassifizieren. Der die kulturellen Unterschiede ausmachenden Konfuzianismus werde ebenso wie ein aggressiver Nationalismus von der Kommunistischen Partei verwendet, um die Lücke zu füllen, welche die verblassende maoistische Ideologie der 1960er-1970er Jahre hinterlassen hat.

Ohlberg und Hamilton nennen einzelne Beispiele, die die tatsächliche Macht der chinesischen Regierung schon bei scheinbar unbedeutenden ausländischen Ereignissen zeigt.

2018 sollten in der australischen Kleinstadt Rockhammpton im Rahmen einer kulturellen Ausstellung Schulkinder Flaggen ihrer Herkunftsländer bemalen. eine eigentlich harmlose Idee. Doch da auch zwei taiwanesische Kinder unter den Schülern waren, die die Flaggen Taiwans malten, beschwerte sich der chinesische Vizekonsul. Das Zeigen der taiwanesischen Flaggen beleidigeChina, Taiwan sei ja ein Teil Chinas. Die Flaggen wurden übermalt.

Der Geschäftsführer des amerikanischen Basketballteams Houston Rockets twitterte seine Unterstützung für die Demonstranten in Hongkong 2019. China zog die ganz große Keule hervor. Die Spieler des Vereins wurden nicht mehr nach China übertragen, Sponsoren sprangen ab. Daraufhin wurde der Veranstalter, die NBA, zu einer zerknirschten öffentlichen Entschuldigung genötigt.

Im Februar 2019 schließlich wurde ein Film des chinesischen Regisseurs Zahng Yimou auf der Berlinale entgegen der Ankündigung nicht gezeigt, der Film spielte während der Kulturrevolution, ein Tabu in China. Offiziell wurden zwar technische Gründe für den Rückzug des Films genannt, aber man kann sich denken, wer wirklich dahintersteckte. Chinas Arm reicht weit.

Die Kommunistische Partei bedient sich vieler hochrangiger politischer Unterstützer für ihre Politik. In Großbritannien existiert der 48 Group Club, der ehemalige „48 Group of British Traders with China“. Zu diesem erlauchten Zirkel gehören der ehemalige Premierminister Tony Blair, der Milliardär Hugh Grosvenor sowie der Vorsitzende von British Airways. Auf chinesischer Seite sind wichtige Funktionäre der Kommunistischen Partei vertreten, so etwa Li Yuanchao, der die mächtige Organisationsabteilung der Partei geleitet hat. Der Club betreibt Lobbyarbeit für die chinesische Regierung. Erkennbar war das etwa daran, dass der Clubpräsident Stephen Perry auf der clubeigenen Homepage Xi Xingping ausdrücklich lobte und die Ausweitung der Kontrolle der Partei über die chinesische Gesellschaft rechtfertigte. In Frankreich hat die Investmentfirma Cathay Capital ein Netzwerk für Kontakte in China und Frankreich gegründet, das Verbindungen bis ins Büro und die Partei von Präsident Macron unterhält.

In der Bundesrepublik fällt die SPD besonders mit guten Chinaverbindungen auf, das hat schon historische Gründe, die in die Tiefe der Maozeit zurückreichen. 1975 war mit Helmut Schmidt der erste deutsche Regierungschef in China, die SPD nahe Friedrich Ebert Stiftung war die erste deutsche politische Stiftung, die ein Büro in China eröffnete. Nicht nur Altbundeskanzler Gerhard Schröder wirbt seitdem für die Volksrepublik, auch der ehemalige Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping unterhält eine Beraterfirma für deutsche Unternehmer in China. Für die Kommunistische Partei ist Scharping seitdem ein „alter Freund Chinas“, ihm wurde auch der Titel eines Wirtschaftsberaters der chinesischen Provinz Guangdong verliehen. Und auch die FDP hilft mittlerweile der chinesischen Regierung. Der ehemalige FDP Vorsitzende Philipp Rößler ist Geschäftsführer der Hainan Charity Foundation in New York, die von dem schwer durchschaubaren chinesischen Konzern HNA betrieben wird.

Peking beeinflusst auch die subnationale Ebene, also Bundesländer, Gemeinden und Provinzen in vielen Ländern. Dadurch können Investitionen in Häfen, Regionalflughäfen oder landwirtschaftlichen Betrieben getätigt und Politiker beim Aufstieg in die nationalen Parlamente unterstützt werden.

Auch Vetternwirtschaft spielt in den chinesischen Planungen eine Rolle: die „Prinzlinge“ genannten Söhne und Töchter früherer und gegenwärtiger Spitzenfunktionäre der Kommunistischen Partei werden häufig auf westliche Eliteuniversitäten geschickt, um anschließend Arbeitserfahrungen in westlichen Unternehmen zu sammeln. So war etwa der Enkel des ehemaligen chinesischen Parteichefs Jiang Zemin bei Goldman Sachs angestellt. Durch diese Möglichkeit gelingt es der Kommunistischen Partei, Informationen über amerikanische Firmen und möglicherweise auch über deren Vorsitzende zu sammeln.

Die chinesische Regierung versucht, die oft zahlreichen chinesischstämmigen Gemeinden im Ausland in ihrem Sinne zu manipulieren. So wird eine Version des „Chinesischseins“ verbreitet, die Ausländer chinesischer Abstammung an die Heimat der Vorfahren binden und Stolz auf die Errungenschaften der Volksrepublik wecken soll. Durch die Vernetzung neuer, von Peking finanzierter chinesischer Vereinigungen mit Gemeindeeinrichtungen und Verbänden im jeweiligen Land werden die Menschen chinesischer Herkunft beeinflusst und in der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt, die regimefreundlichen Elemente würden die gesamte chinesische Gemeinschaft vertreten.

Manchmal wird die Grenze zu ernsten Drohungen auch überschritten. Der erfahrene Chinakorrespondent Kai Strittmater hatte meist sehr positiv und wohlwollend über China berichtet, etwa in seinem Bestseller „Kleine Gebrauchsanweisung für China“. Bei dem Versuch, sein Visum 2017 verlängern zu lassen, wurde ihm zu verstehen gegeben, dass chinesische Bürger aus Wut über seine Berichterstattung Gewalt gegen ihn anwenden könnten, die Regierung könne ihn dann nicht schützen, für Strittmater eine neue Erfahrung.

Das Buch von Oehlberg und Hamilton zeigt anhand einer Vielzahl von Einzelbeispielen, wie zielgerichtet und auch teilweise skrupellos die Kommunistische Partei ihre Interessen durchsetzt. Der Fülle von Fakten steht eine ernüchternd simple Handlungsanleitung zum Widerstand gegenüber. Die Demokratie und vor allem die Meinungsfreiheit solle gestärkt, die Aktionen der chinesischen Regierung öffentlich gemacht werden. Die Autoren des Buches verweisen auf die positive Wirkung von Transparenz, um die Aktivitäten des chinesischen Regimes ans Licht zu bringen. Die Kommunistische Partei würde vorrangig im Schatten agieren.

Dabei gibt es bereits zaghafte Versuche, dem chinesischen Vordringen etwas entgegenzusetzen, auch in der Bundesrepublik. Die FDP-Bundestagsfraktion möchte einen Antrag ins Parlament einbringen mit dem Titel „Freiheit von Forschung und Lehre schützen, Kooperationen mit Chinas Konfuzius-Instituten an deutschen Hochschulen beenden.“ Nach der Sommerpause soll sich der Bundestag damit befassen. Die Konfuzius-Institute sind weltweit verbreitete chinesische Bildungseinrichtungen. Ihnen wird nachgesagt, dass sie die öffentliche Meinung im Gastland im Sinne der chinesischen Regierung beeinflussen. Sie sind jeweils an eine deutsche Universität angegliedert und werden von China aus finanziert. Die FDP plant, dass eine Expertenkommission klären soll, ob die Konfuzius-Institute beispielsweise zu Spionagezwecken genutzt werden. Auch die bayrische FDP möchte am liebsten, dass deutsche Universitäten völlig ohne chinesische Gelder auskommen sollten.

Das Buch von Oehlberg und Hamilton soll aufrütteln, und das schafft es auch. Es ist allerdings schade, dass es dem Fundus der vielen Fakten nur sehr dünne Handlungsempfehlungen gegenüberstellt. Eine relative Einseitigkeit kann man dabei den Autoren durchaus vorwerfen. Sie übersehen, dass die Zustimmung der chinesischen Bevölkerung zur Kommunistischen Partei sehr hoch ist. Die chinesische Regierung hat ein historisches einmaliges Wirtschaftswunder geschaffen, Hunderte von Millionen Menschen aus absoluter Armut befreit und das in früheren Zeiten sehr zerstrittene und von Bürgerkriegen geplagte Land seit Jahrzehnten geeint. Auch hat Peking ungeachtet der Menschenrechtsverletzungen im Inneren im Gegensatz zu den USA etwa nie einen Krieg im Ausland angezettelt. Die Gefahr der Beeinflussung westlicher Regierungen ist da- aber Peking schafft sich nicht durch Panzereinsätze in Satellitenstaaten Gefolgschaft, wie dies die Sowjetunion getan hat. Auch ist keine Einmischung in afrikanische oder asiatische Bürgerkriege zum Export der eigenen Ideologie zu beobachten, wie dies ebenfalls von Moskau jahrzehntelang durchgeführt wurde. Tatsächlich geht es der chinesischen Regierung in erster Linie um den ausländischen Respekt vor innerchinesischen Angelegenheiten. Das ist möglicherweise historisch gesehen sogar das kleinere Übel.

Hongkong

Die Situation in Hongkong dominiert die internationalen Schlagzeilen. Kein Tag vergeht ohne Warnungen vor der Volksrepublik China und Kritik an dem chinesischen Vorgehen in Hongkong. Doch wie denkt die chinesische Führung eigentlich über Hongkong? Was war der Grund für das umstrittene Auslieferungsgesetzt? Und wie sehen die chinesischen Bürger die Hongkonger Proteste? Dieser Artikel gibt Antworten.

Nach 156 Jahren britischer Kolonialherrschaft wurde Hongkong 1997 als Sonderverwaltungszone an die Volksrepublik China zurückgegeben. Unter dem Prinzip „ein Land, zwei Systeme“ behält die Stadt für 50 Jahre einen semi-autonomen Status. 2047 soll sie vollständig mit China verschmelzen. In der Region sind verfassungsrechtlich Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit gewährleistet, ein enormer Unterschied zur Volksrepublik China. Der Vater des chinesischen Wirtschaftswunders Deng Xiaoping wollte mit dem Prinzip „Ein Land zwei Systeme“ den Widerspruch auflösen, dass Hongkong einerseits seine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung behält, dass es aber andererseits ein integraler Bestandteil Chinas bleiben sollte. 1984 erhob der Nationale Volkskongress Chinas dieses Prinzip zum rechtsverbindlichen Staatskodex. Durch die Verschmelzung zweier eigentlich völlig gegensätzlicher Systeme zeichnete sich die chinesische Politik durch starken Pragmatismus aus.

Nun kam es zu einem Vorfall, der in letzter Konsequenz zu den Protesten in Hongkong führte. Ein junges Hongkonger Pärchen verbachte seinen Urlaub auf der Insel Taiwan. Der Mann ermordete seine schwangere Freundin und flog zurück nach Hongkong. Dort legte er ein umfassendes Geständnis ab. Das brachte nicht viel: Taiwan und Hongkong unterhalten kein Auslieferungsabkommen. Der Mörder konnte nicht angeklagt werden.

Aus diesem Grund beschloss die Hongkonger Regierung, das Auslieferungsabkommen zu erlassen. Allerdings sind dadurch auch Auslieferungen nach China möglich. Daher kam es zu den Befürchtungen der Hongkonger Bevölkerung, dass Hongkong auf Druck Pekings nun willkürlich regierungskritische Leute nach Festlandchina überstellen und einsperren könnte. Das wäre ein enormer Verlust für die Hongkonger Autonomie. Die Proteste und die Forderungen der Demonstranten wurden in den Augen der chinesischen Regierung so gefährlich, dass sie ein neues Sicherheitsgesetz erlassen hat. Auf Grundlage des Gesetzes kann Peking gegen Aktivitäten in Hongkong vorgehen, die es als subversiv, separatistisch, terroristisch oder als Verschwörung mit ausländischen Kräften einstuft. Das führt nun zu weltweiter Besorgnis und Kritik. Es gibt sogar die Befürchtung, dass die chinesische Regierung die Armee gegen die Demonstranten einsetzt, wie 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking geschehen.

Doch diese Möglichkeit ist unwahrscheinlich. Die chinesische Regierung braucht diese Lösung gar nicht.

Peking ist davon überzeugt, dass die Hongkonger Eliten die Demonstranten nicht unterstützen und auch viele Einwohner eher die wirtschaftlichen Probleme sehen, etwa die steigenden Mieten. Peking hat die Hongkonger Geschäftsleute umworben, indem ihnen ein wirtschaftlich günstiger Zugang zum Festland angeboten wurde. Zudem hat die Kommunistische Partei Verbindungen sowohl zur Arbeiterbewegung als auch zur kriminellen Szene Hongkongs geknüpft. Die chinesische Regierung übt sich in Geduld, die Demonstranten werden die öffentliche Unterstützung verlieren und abgesehen von wenigen Gewalttätern mit den Protesten aufhören. Zudem möchte Peking die möglichen wirtschaftlichen Missstände beseitigen, die möglicherweise auch für die Demonstrationen verantwortlich sind. Die wirtschaftliche Bedeutung Hongkongs für China hat abgenommen. Am Anfang des chinesischen Öffnungsprozesses war Hongkong wesentlich bedeutender. Hongkong spielt allerdings noch eine Rolle als Brückenkopf zu den globalen Kapitalmärkten. China ist sich dieser Bedeutung bewusst, die Bevölkerung allerdings stört eher. Man kann sagen, dass China Hongkong braucht, aber nicht unbedingt die Hongkonger Bevölkerung.

Dabei kann sich Peking auch der Unterstützung der eigenen Bevölkerung sicher sein. Viele Festlandchinesen verstehen die Proteste in Hongkong nicht. Sie sehen in erster Linie die Schädigung der Wirtschaft durch die Proteste. Viele, auch gebildete Festlandchinesen glauben an den Erfolg des chinesischen Modells, Wohlstand auf Kosten der Rechte des Einzelnen zu gewinnen. Sie haben Angst davor, dass die Rechte der Hongkonger und deren Einforderung zu Chaos, Armut und Hunger führen würden. Dabei zeigt sich eine tiefgreifende Veränderung des Hongkong Bildes in den Augen der Festlandchinesen. Während in den 1980er und 1990er Jahren Hongkong ein Symbol, ein Vorbild für den eigenen wirtschaftlichen Aufstieg war und die Rolle eines Sehnsuchtsortes innehatte, haben sich die Voraussetzungen geändert. Heute ist die Volksrepublik die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und die Hongkonger Freiheiten haben ihre Vorbildfunktion verloren. Shanghai und Shenzhen haben eigene Skylines, ihre Bewohner sehen die im Vergleich kleineren Wohnungen in Hongkong und die hohen Lebenshaltungskosten. Hongkong ist kein Vorbild mehr, vielmehr ist die Meinung entstanden, der Hongkonger Wohlstand würde durch die Volksrepublik geschaffen.

Die chinesische Regierung hat Angst vor Chaos, politischer Instabilität und separatistischen Bestrebungen. Eine Bewegung wie „Unabhängigkeit Hongkongs“ und der natürlich hilflose Wunsch nach Intervention des US-Militärs in Hongkong tragen nicht dazu bei, Peking zu beruhigen. Ein Problem ist auch, dass die Demonstranten echte Demokratie wollen, wie es 1997 bei der Rückgabe an China Hongkong in Aussicht gestellt wurde. Damit kann die Kommunistische Partei nicht umgehen. Die Reaktionen aus dem Ausland sind dabei kein Grund zur Sorge für Chinas Regierung. Die chinesische Regierung hat die kritischen Reaktionen des Westens einkalkuliert. Die von den USA beschlossenen Einschränkungen beim bilateralen Handel treffen nicht wirklich, dafür ist Hongkong als Absatzmarkt nicht bedeutend genug. Da Hongkong immer noch der drittgrößte Finanzplatz der Welt ist, scheint es unwahrscheinlich, dass Peking westliche Geschäftsleute durch das neue Gesetz in Haft nehmen wird. Wahrscheinlicher ist es, dass es nur auf Chinesen Anwendung findet. Zudem denkt Peking bei der Systemfrage nicht unlogisch: Es gibt bei „Ein Land zwei Systeme“ nicht nur den Teil „Zwei Systeme“. Die Grundlage ist „Ein Land“. Wenn die Grundlage „Ein Land“ untergraben wird, kann auch das Prinzip der zwei Systeme nicht funktionieren. Entsprechend fürchtet Peking, dass die Demonstranten an dem „einen Land“ nicht mehr interessiert sind, sondern ein anderes System und ein anderes Land haben wollen. Das ist für China nicht hinnehmbar.

Man muss sich bewusst machen, dass Hongkong zu China gehört und das Prinzip der zwei Systeme nach 2047 ohnehin aufgegeben wird. Demonstrationen gegen das chinesische System an sich können damit keinen Erfolg haben und fordern eine Reaktion Pekings nahezu heraus. Die einzige Möglichkeit besteht darin, Peking davon zu überzeugen, die Hongkonger Autonomie nicht vor dem entscheidenden Jahr völlig auszuhöhlen. Kritik kann dazu beitragen, Gewalt aber auf keinen Fall. Denn etwas hat Peking immer bewiesen, wenn es sein muss, hat die chinesische Regierung eine unendliche Geduld. Zur Not eben bis 2047.

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