Die Kritik an den Menschenrechtsverletzungen der VR China ist mindestens so alt wie die Volksrepublik selbst. Im Zuge des zunehmenden zumeist wirtschaftlichen Austausches seit der chinesischen Öffnungspolitik 1978 nimmt sie immer mal wieder zu und auch wieder ab. Sie war eine Zeit lang mehr ein notwendiges und eher lästiges Übel, eine zur Verpflichtung neigende Begleiterscheinung immer neuer deutscher Wirtschaftsabkommen oder Kanzler(innen)reisen. Mittlerweile hat sich das geändert. Die neue Bundesaußenministerin Annalena Baerbock möchte „Klartext reden“, die Regierung in Peking wurde bereits von Donald Trump als harter wirtschaftlicher Konkurrent mit Strafzöllen belegt und von der Europäischen Union als „systemischer Wettbewerber“ eingeordnet. Dabei wird ja immer noch gefordert (oder zumindest gehofft) dass China eines Tages demokratisch werden würde.
Mit der Demokratie ist das so eine Sache. Nicht zuletzt der Dichter Bert Brecht, immerhin lange in der sozialistischen DDR ansässig, wusste zu verkünden: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“. Das „Fressen“ hat die VR China in den vergangenen Jahrzehnten sehr erfolgreich umgesetzt, Hunderte von Millionen Chinesen wurden aus absoluter Armut befreit. Die Moral lässt in der chinesischen Gesellschaft zu wünschen übrig, doch auch hier versucht die Regierung durch die Antikorruptionskampagne der letzten Jahre und das Sozialkreditsystem Abhilfe zu schaffen. Wann kommt denn nun Demokratie und Rechtsstaatlichkeit? Kann es nicht doch „von aussen“ zu einer Veränderung kommen?
Keine einzige „Zwangsdemokratisierung“ seit den erfolgreichen Beispielen des ehemaligen Deutschen Reiches und des japanischen Kaiserreiches nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Erfolg, weder im Irak, noch in Afghanistan oder Bosnien-Herzegovina. Anders sieht es aus, wenn autoritäre Systeme von innen her Veränderungen durchlaufen- hier sind die ehemaligen sozialistischen Staaten Osteuropas oder die chinesische Insel Taiwan ein gutes Beispiel. Was also bringt eine Forderung an das zweitmächtigste Land der Welt, endlich die Menschenrechte zu beachten und demokratisch zu werden?
Osteuropa hat im Falle Polens und Ungarns mittlerweile sehr autoritäre Regierungen demokratisch gewählt. Seitdem ist zumindest die Rechtsstaatlichkeit nicht mehr vorherrschend in beiden Staaten. Taiwan war viele Jahre eine Militärdiktatur. Viele Intellektuelle innerhalb der VR China lehnen das Beispiel Taiwans ab, sie möchten etwas „genuin Chinesisches“ für die Volksrepublik und unterstellen Taiwan, nur den westlichen Demokratien nachzueifern und „der beste Schüler des Westens“ sein zu wollen. Die ehemalige britische Kronkolonie Hongkong sowie der wirtschaftlich höchst erfolgreichen Zwergstaat Singapur waren bzw. sind Rechtsstaaten, hatten bzw. haben aber keine demokratischen Strukturen. Zudem vertritt die Wann wird die Volksrepublik eine chinesische Regierung die These von „sozialen“ Menschenrechten vor individuellen Freiheitsrechten, und diese würde Peking ja erfüllen.
Was folgt daraus? Man sollte sich von der Idee verabschieden, dass die VR China auf absehbare Zeit, wenn überhaupt jemals, eine rechtsstaatliche Demokratie werden wird. Die KP Chinas hat immer wieder ihre ideologische und praktische Flexibilität bewiesen. Man sollte davon ausgehen, dass China so bleiben wird, wie es ist…und entsprechend politisch handeln. China ist ein faszinierendes Land, aber eben auch ein völlig anderes System. Und damit muss man sich abfinden.
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