Der rigide Lockdown in Shanghai trifft die modernste Stadt Chinas ins Mark. Erhebliche Schwierigkeiten bei der Lebensmittelversorgung belasten chinesische und westliche Einwohner gleichermaßen, infizierte Personen werden in riesigen Messehallen zusammengepfercht und ohne medizinische Versorgung unter einfachsten sanitären Bedingungen eingesperrt.  Der chinesischen Regierung ist die Kontrolle offenbar entglitten…oder etwa doch nicht?

Kritik und Entsetzen machen sich in der Bevölkerung breit und mittlerweile auch in chinesischen sozialen Netzwerken Luft- zaghaft erst, aber doch unübersehbar. Obwohl immer noch alles der Zensur unterliegt, erkennt Peking mittlerweile die Sprengkraft des Lockdowns und läßt immer mehr öffentliche Kritik zu. Dabei ist es keineswegs so, dass ein böswilliges planloses Chaosregime hier am Werk wäre. Ein genauerer Blick ist notwendig.

Natürlich ist es eine böse Überraschung, dass die bisher so effiziente und flexible chinesische Regierung 26 Millionen Menschen mit offenem Ende in ihren Wohnungen einschließt. Die Angst vor Omikron hat aber in der Volksrepublik einen ernsten Hintergrund. Westliche Impfstoffe sind nicht zugelassen, die chinesischen schützen nicht ausreichend. So sind in Hongkong viele auf Omikron beruhende Todesfälle vorgekommen. Zudem ist die Versorgung des chinesischen Staats mit Krankenhäusern nicht mit der in westlichen Industrieländern vergleichbar. China kann es sich schlicht nicht leisten, Zehntausende Menschen mit schweren Verläufen in Hospitälern angemessen zu behandeln und etwa künstlich zu beatmen. Die Einweisung der infizierten Bewohner Shanghais in den Messehallen ist daher genauso eine Schutzmaßnahme wie der anhaltende Lockdown. Dem Argument, in den Messehallen würden sich die Menschen erst recht anstecken, ist entgegenzuhalten, dass ja ohnehin nur  Corona Infizierte dort eingewiesen werden.  Eine weitere Ansteckung kann somit eigentlich nicht mehr erfolgen, allerhöchstens ein unbehandelter Verlauf. Doch bisher ist nichts von massenhaftem Sterben in den Hallen bekannt.

Es ist natürlich zu hoffen, dass bald wirksamere Maßnahmen gegen Omikron angewendet werden, wie etwa die Zulassung westlicher MRNA Impfstoffe. Doch das Pekinger Chaosmanagement ist das Resultat einer überforderten Regierung, die in den vergangenen zwei Jahreneigentlich  immer auf der Erfolgsspur war. Auch Peking lernt aus Fehlern. Und seien wir ehrlich: weder die letzte noch die gegenwärtige deutsche Bundesregierung hatten immer zu jeder Zeit die Lage im Griff.