Vor vielleicht 20 Jahren konnte man als gut ausgebildeter westlicher Ausländer, als “Expat“, in der VR China wie ein kleiner Gott leben. Wenn man als Deutsche(r) in die chinesische Provinz kam, konnte es passieren, dass man von neugierigen Menschentrauben umringt und fasziniert angefasst wurde- ein „Laowei“ war damals so etwas wie ein Alien.
Ich selbst erinnere mich, wie in der Provinz Jiangsu kleine Kinder ob meiner Körpergröße und Augenform fassungslos, aber nie unfreundlich oder verängstigt, waren. Noch 2009 war China für viele Expats wie der wilde Westen zur Goldgräberzeit. Alles war möglich, billig, aber auch futuristisch modern, eine Zivilgesellschaft bildete sich langsam, und alle waren dabei sehr freundlich und aufgeschlossen.
So kam es vor, dass bei der Eröffnung irgendeiner chinesischen Firma westliche Männer in Anzüge gesteckt und bei der Feierlichkeit als „amerikanische Investoren“ vorgezeigt wurden- sie mussten nur lächeln und repräsentieren, anschließend gab es Geld und die Schauspieler zogen weiter- zum nächsten Event.
Und Chinakunde war ein Studienfach, das goldene Zukunft versprach. Gefühlt konnte jede verkrachte Existenz zwischen Australien und Nordamerika an irgendeiner kleinen chinesischen Klitsche Englischlehrer werden und davon gut leben- ein bisschen unterrichten, ein bisschen Chinesisch lernen und sonst in den extra für Westler eröffneten Bars importiertes Budweiser trinken und für ein paar Cent die neuesten Hollywoodfilme als Raubkopie ansehen.
Die Vorteile als Westler in China sind Stück für Stück weggefallen. Nicht nur die beinharte Zero Covid Politik verschreckt die Expats. Nicht nur der endlose Lockdown in Shanghai, auch wochenlange Quarantäne bei Wiedereinreise verstört die Ausländer. Wer chinesische Familie hat, reist lieber nicht aus, denn möglicherweise gibt es gar kein Visum für die Rückkehr.
Zudem wird das Klima in der Volksrepublik immer fremdenfeindlicher und nationalistischer. Wurde man früher fasziniert als Exot bestaunt, wird man heute nicht in ein chinesisches Lokal gelassen- die chinesischen Gäste würden einen als Covidüberträger ansehen. Zunehmende Überwachung und Ideologisierung verderben auch den Studierenden die Freude an China- Sinologie gilt nicht mehr unbedingt als Zukunftsfach, die Zahl deutscher Studierender in China beträgt aktuell zwischen 5 und 10 Personen- im ganzen Land. Ein Expat zählte die Kameras zwischen Haustür und Fahrradweg- bei 100 hörte er auf.
Viele blenden die schwierige Situation aus, andere sind zutiefst traurig über die chinesische Abschottung. Dabei ist die Zero Covid Politik häufig nur ein Vorwand, um noch mehr staatliche Kontrolle durchzudrücken. So überlegen viele westliche Firmen, ihre Asia Headquarters von Shanghai nach Singapur zu verlegen- in den letzten 15 Jahren war es andersrum. Auch in der gehobenen chinesischen Hotellerie werden nicht mehr viele westliche Expats benötigt, das war jahrzehntelang anders. In einem ist man sich einig- so wie vor 2012 wird es nicht mehr. Der chinesische Traum ist zunächst ausgeträumt.
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