In den internationalen Medien häufen sich Berichte über die Einflussnahme der chinesischen Regierung auf Institutionen und Entscheidungsträger der westlichen Welt. Welcher Methoden bedient sich Peking? Welche Ziele verfolgt die chinesische Regierung? Und hat sie damit auch Erfolg?
Die Chinawissenschaftler Mareike Ohlberg und Clive Hamilton untersuchen in ihrem 2020 in der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA) erschienenem Buch „Die lautlose Eroberung- wie China westliche Demokratien unterwandert und die Welt neu ordnet“, auf welche Weise die chinesische Regierung europäische, US-amerikanische und australische Institutionen unterwandert und in ihrem eigenen Sinne manipuliert.
Die beiden Autoren belegen anhand einer Fülle von Einzelbeispielen, auf welche Weise die Kommunistische Partei auf westliche Institutionen und Entscheidungsträger Einfluss nimmt. Dabei werden die verantwortlichen chinesischen Akteure klar benannt. Laut den Autoren bedient sich die Kommunistische Partei der altkommunistischen Idee der Einheitsfrontpolitik. 1921 entwickelt, bedeutet Einheitsfront eine Strategie der damaligen kommunistischen Internationalen, zusammen mit anderen kommunistischen und auch sozialdemokratischen Parteien darauf hinzuarbeiten, die Interessen der Arbeiterklasse gegen die Großgrundbesitzer und den Faschismus durchzusetzen. Heute können unter Einheitsfront alle chinesischen Akteure, von jedem Amt bis hin zu großen Wirtschaftsunternehmen verstanden werden. Das Ziel der Einheitsfront arbeiten die Autoren klar heraus.
Die Verfasser stellen die These auf, dass die Kommunistische Partei die Vorstellung der Welt von China umgestalten will. Durch eine Peking genehme ausländische Sicht auf China ist es leichter, den globalen Einfluss Chinas zu erhöhen. China soll langfristig zur wichtigsten globalen Macht werden.
Die Methoden dazu werden auch genannt. Die chinesische Regierung versucht, durch diplomatischen Druck internationale Bündnisse umzuformen und durch die Manipulation von Medien und Universitäten ihre Ziele zu erreichen.
Die Autoren sehen die Kommunistische Partei immer noch im Kalten Krieg. Der Feind ist das westliche liberaldemokratische System. Peking nimmt für sich in Anspruch, für das gesamte chinesische Volk, ja selbst für die häufig in Chinatowns sozialisierten Auslandschinesen zu sprechen. Da legen die Autoren den Finger in die Wunde.
Für sie ist klar, dass der wirtschaftliche Wettbewerb zwischen der Volksrepublik China und den westlichen Staaten eben kein Zusammenstoß gegensätzlicher Zivilisationen sei, wie es oft heißt. Sie trennen ausdrücklich zwischen dem chinesischen Volk und der Kommunistischen Partei, die sie als leninistische autoritäre Regierung mit den üblichen realsozialistischen Anhängseln Politbüro, Zentralkomitee und Generalsekretär klassifizieren. Der die kulturellen Unterschiede ausmachenden Konfuzianismus werde ebenso wie ein aggressiver Nationalismus von der Kommunistischen Partei verwendet, um die Lücke zu füllen, welche die verblassende maoistische Ideologie der 1960er-1970er Jahre hinterlassen hat.
Ohlberg und Hamilton nennen einzelne Beispiele, die die tatsächliche Macht der chinesischen Regierung schon bei scheinbar unbedeutenden ausländischen Ereignissen zeigt.
2018 sollten in der australischen Kleinstadt Rockhammpton im Rahmen einer kulturellen Ausstellung Schulkinder Flaggen ihrer Herkunftsländer bemalen. eine eigentlich harmlose Idee. Doch da auch zwei taiwanesische Kinder unter den Schülern waren, die die Flaggen Taiwans malten, beschwerte sich der chinesische Vizekonsul. Das Zeigen der taiwanesischen Flaggen beleidigeChina, Taiwan sei ja ein Teil Chinas. Die Flaggen wurden übermalt.
Der Geschäftsführer des amerikanischen Basketballteams Houston Rockets twitterte seine Unterstützung für die Demonstranten in Hongkong 2019. China zog die ganz große Keule hervor. Die Spieler des Vereins wurden nicht mehr nach China übertragen, Sponsoren sprangen ab. Daraufhin wurde der Veranstalter, die NBA, zu einer zerknirschten öffentlichen Entschuldigung genötigt.
Im Februar 2019 schließlich wurde ein Film des chinesischen Regisseurs Zahng Yimou auf der Berlinale entgegen der Ankündigung nicht gezeigt, der Film spielte während der Kulturrevolution, ein Tabu in China. Offiziell wurden zwar technische Gründe für den Rückzug des Films genannt, aber man kann sich denken, wer wirklich dahintersteckte. Chinas Arm reicht weit.
Die Kommunistische Partei bedient sich vieler hochrangiger politischer Unterstützer für ihre Politik. In Großbritannien existiert der 48 Group Club, der ehemalige „48 Group of British Traders with China“. Zu diesem erlauchten Zirkel gehören der ehemalige Premierminister Tony Blair, der Milliardär Hugh Grosvenor sowie der Vorsitzende von British Airways. Auf chinesischer Seite sind wichtige Funktionäre der Kommunistischen Partei vertreten, so etwa Li Yuanchao, der die mächtige Organisationsabteilung der Partei geleitet hat. Der Club betreibt Lobbyarbeit für die chinesische Regierung. Erkennbar war das etwa daran, dass der Clubpräsident Stephen Perry auf der clubeigenen Homepage Xi Xingping ausdrücklich lobte und die Ausweitung der Kontrolle der Partei über die chinesische Gesellschaft rechtfertigte. In Frankreich hat die Investmentfirma Cathay Capital ein Netzwerk für Kontakte in China und Frankreich gegründet, das Verbindungen bis ins Büro und die Partei von Präsident Macron unterhält.
In der Bundesrepublik fällt die SPD besonders mit guten Chinaverbindungen auf, das hat schon historische Gründe, die in die Tiefe der Maozeit zurückreichen. 1975 war mit Helmut Schmidt der erste deutsche Regierungschef in China, die SPD nahe Friedrich Ebert Stiftung war die erste deutsche politische Stiftung, die ein Büro in China eröffnete. Nicht nur Altbundeskanzler Gerhard Schröder wirbt seitdem für die Volksrepublik, auch der ehemalige Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping unterhält eine Beraterfirma für deutsche Unternehmer in China. Für die Kommunistische Partei ist Scharping seitdem ein „alter Freund Chinas“, ihm wurde auch der Titel eines Wirtschaftsberaters der chinesischen Provinz Guangdong verliehen. Und auch die FDP hilft mittlerweile der chinesischen Regierung. Der ehemalige FDP Vorsitzende Philipp Rößler ist Geschäftsführer der Hainan Charity Foundation in New York, die von dem schwer durchschaubaren chinesischen Konzern HNA betrieben wird.
Peking beeinflusst auch die subnationale Ebene, also Bundesländer, Gemeinden und Provinzen in vielen Ländern. Dadurch können Investitionen in Häfen, Regionalflughäfen oder landwirtschaftlichen Betrieben getätigt und Politiker beim Aufstieg in die nationalen Parlamente unterstützt werden.
Auch Vetternwirtschaft spielt in den chinesischen Planungen eine Rolle: die „Prinzlinge“ genannten Söhne und Töchter früherer und gegenwärtiger Spitzenfunktionäre der Kommunistischen Partei werden häufig auf westliche Eliteuniversitäten geschickt, um anschließend Arbeitserfahrungen in westlichen Unternehmen zu sammeln. So war etwa der Enkel des ehemaligen chinesischen Parteichefs Jiang Zemin bei Goldman Sachs angestellt. Durch diese Möglichkeit gelingt es der Kommunistischen Partei, Informationen über amerikanische Firmen und möglicherweise auch über deren Vorsitzende zu sammeln.
Die chinesische Regierung versucht, die oft zahlreichen chinesischstämmigen Gemeinden im Ausland in ihrem Sinne zu manipulieren. So wird eine Version des „Chinesischseins“ verbreitet, die Ausländer chinesischer Abstammung an die Heimat der Vorfahren binden und Stolz auf die Errungenschaften der Volksrepublik wecken soll. Durch die Vernetzung neuer, von Peking finanzierter chinesischer Vereinigungen mit Gemeindeeinrichtungen und Verbänden im jeweiligen Land werden die Menschen chinesischer Herkunft beeinflusst und in der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt, die regimefreundlichen Elemente würden die gesamte chinesische Gemeinschaft vertreten.
Manchmal wird die Grenze zu ernsten Drohungen auch überschritten. Der erfahrene Chinakorrespondent Kai Strittmater hatte meist sehr positiv und wohlwollend über China berichtet, etwa in seinem Bestseller „Kleine Gebrauchsanweisung für China“. Bei dem Versuch, sein Visum 2017 verlängern zu lassen, wurde ihm zu verstehen gegeben, dass chinesische Bürger aus Wut über seine Berichterstattung Gewalt gegen ihn anwenden könnten, die Regierung könne ihn dann nicht schützen, für Strittmater eine neue Erfahrung.
Das Buch von Oehlberg und Hamilton zeigt anhand einer Vielzahl von Einzelbeispielen, wie zielgerichtet und auch teilweise skrupellos die Kommunistische Partei ihre Interessen durchsetzt. Der Fülle von Fakten steht eine ernüchternd simple Handlungsanleitung zum Widerstand gegenüber. Die Demokratie und vor allem die Meinungsfreiheit solle gestärkt, die Aktionen der chinesischen Regierung öffentlich gemacht werden. Die Autoren des Buches verweisen auf die positive Wirkung von Transparenz, um die Aktivitäten des chinesischen Regimes ans Licht zu bringen. Die Kommunistische Partei würde vorrangig im Schatten agieren.
Dabei gibt es bereits zaghafte Versuche, dem chinesischen Vordringen etwas entgegenzusetzen, auch in der Bundesrepublik. Die FDP-Bundestagsfraktion möchte einen Antrag ins Parlament einbringen mit dem Titel „Freiheit von Forschung und Lehre schützen, Kooperationen mit Chinas Konfuzius-Instituten an deutschen Hochschulen beenden.“ Nach der Sommerpause soll sich der Bundestag damit befassen. Die Konfuzius-Institute sind weltweit verbreitete chinesische Bildungseinrichtungen. Ihnen wird nachgesagt, dass sie die öffentliche Meinung im Gastland im Sinne der chinesischen Regierung beeinflussen. Sie sind jeweils an eine deutsche Universität angegliedert und werden von China aus finanziert. Die FDP plant, dass eine Expertenkommission klären soll, ob die Konfuzius-Institute beispielsweise zu Spionagezwecken genutzt werden. Auch die bayrische FDP möchte am liebsten, dass deutsche Universitäten völlig ohne chinesische Gelder auskommen sollten.
Das Buch von Oehlberg und Hamilton soll aufrütteln, und das schafft es auch. Es ist allerdings schade, dass es dem Fundus der vielen Fakten nur sehr dünne Handlungsempfehlungen gegenüberstellt. Eine relative Einseitigkeit kann man dabei den Autoren durchaus vorwerfen. Sie übersehen, dass die Zustimmung der chinesischen Bevölkerung zur Kommunistischen Partei sehr hoch ist. Die chinesische Regierung hat ein historisches einmaliges Wirtschaftswunder geschaffen, Hunderte von Millionen Menschen aus absoluter Armut befreit und das in früheren Zeiten sehr zerstrittene und von Bürgerkriegen geplagte Land seit Jahrzehnten geeint. Auch hat Peking ungeachtet der Menschenrechtsverletzungen im Inneren im Gegensatz zu den USA etwa nie einen Krieg im Ausland angezettelt. Die Gefahr der Beeinflussung westlicher Regierungen ist da- aber Peking schafft sich nicht durch Panzereinsätze in Satellitenstaaten Gefolgschaft, wie dies die Sowjetunion getan hat. Auch ist keine Einmischung in afrikanische oder asiatische Bürgerkriege zum Export der eigenen Ideologie zu beobachten, wie dies ebenfalls von Moskau jahrzehntelang durchgeführt wurde. Tatsächlich geht es der chinesischen Regierung in erster Linie um den ausländischen Respekt vor innerchinesischen Angelegenheiten. Das ist möglicherweise historisch gesehen sogar das kleinere Übel.
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