Die überragende politische Führungsfigur der Volksrepublik China nach dem Tode Maos war Deng Xiaoping, der „Vater des chinesischen Wirtschaftswunders“.  Er lebte von 1904 bis 1997 und wurde erst im Alter von 74 Jahren Chinas wichtigster Politiker.  Kurz nach Maos Tod war allerdings ein anderer Chinas Staatschef- Dengs Konkurrent Hua Guofeng. Dieser spielte nach Dengs innerparteilicher Machtübernahme politisch keine Rolle mehr. Heute wird Deng in der Volksrepublik verehrt wie ein Heiliger

Es wird gemeinhin angenommen, dass Deng Xiaoping die wirtschaftliche Öffnung und Reform seit 1978 allein zu verantworten hat. Dem ist nicht so- jedenfalls nach Meinung der australischen Historiker Frederick Teiwes und Warren Sun.

Offiziell wird vertreten, dass Deng seinen Konkurrenten Hua Guofeng 1981 öffentlich dafür kritisierte, dass er die Kulturrevolution verteidigte, um sich selbst einen Personenkult zelebrierte und dem Dengschen Ziel widersprach, „die Wahrheit in den Tatsachen zu suchen“. Also rationale und nicht ideologische Entscheidungen zur Grundlage der Wirtschaftspolitik zu machen.

Tatsächlich sei es aber ganz anders gewesen, so die Australier. Dengs Slogan „Der Geist solle emanzipiert werden“ käme von Hua, seit Oktober 1976 hätte Hua kleine wirtschaftliche Öffnungsschritte unternommen und weitergehende Reformen bereits geplant, als Deng noch im politischen Exil war. Der legendäre elfte Parteitag der chinesischen KP im Dezember 1978 gilt als Geburtsstunde der chinesischen Reformen aufgrund Dengs Initiative. Die australischen Forscher widersprechen der These und werfen Deng Geschichtsschreibung in eigener Sache vor.

Ob die Vorwürfe stimmen, soll hier nicht überprüft wird. Tatsächlich ist es eine historische Tatsache, dass Geschichte von Siegern geschrieben wird. Und Deng ist ein Titan der chinesischen Geschichte. Selbst wenn die These der Australier stimmen sollte, war es Deng, der bis in die 1990er Jahre kurz vor seinem Tod im hohen Alter Zweifel an seinem Kurs innerhalb der KP immer wieder ausräumen bzw. sich durchsetzen konnte. So konnte er 1992 mit 88 Jahren durch eine großangelegte Reise durch die Sonderwirtschaftszonen im Süden Chinas parteiinternen Kritikern an seinem Wirtschaftskurs den Wind aus den Segeln nehmen. Diese „Reise in den Süden“ ist heute noch legendär in China.

Und im Jahr 2022 ist es eigentlich ohnehin unerheblich, wer die Reformen erdachte und begann. Denn Dengs aktueller Nachfolger ist dabei, jeden positiven Aspekt der 40 jährigen chinesischen Reform- und Öffnungspolitik abzuräumen.