Zehntausende Menschen gingen hierzulande in den siebziger Jahren gegen den verheerenden Vietnamkrieg auf die Straße – oder gegen den 1991 von Amerika angeführten ersten Irakkrieg zur Befreiung Kuwaits. Erst recht wurde gegen den zweiten Golfkrieg im März 2003 demonstriert, laut, schrill und voller berechtigter Empörung.
Wo aber bleibt hierzulande der massenhafte Aufschrei gegen Russlands Krieg gegen die Ukraine? Unabhängig von dem öffentlichen Entsetzen in Medien und Politik? Wo sind die großen Demonstrationen?
Vielleicht fehlen sie, weil es nicht gegen Amerika geht?
Amerika spaltete immer die Gemüter. Auf der einen Seite wurde Amerika verklärt, als Traumland und Produzent von Träumen- durch Hollywood, Musik, Mode. Auf der anderen Seite wurden viele von Amerika enttäuscht, verbittert und wendeten sich ab.
Europäische Aufklärer und Romantiker begeisterten sich für die Welt auf der anderen Seite des Atlantiks. Schon Goethe schrieb: „Amerika du hast es besser“. Amerika lässt so gut wie keinen kalt. Selbst viele, die noch nie dort waren, haben eine feste Meinung von dem Land.
Man kann dem Einfluss der USA auch kaum entgehen, amerikanische Musik und Filme, Produkte wie Apple, Facebook oder Levis Jeans sind global stil- und lebensprägend. Wählen die Amerikaner einen neuen Präsidenten, fiebern auch in Europa Millionen von Fernsehzuschauern mit, als ginge es dabei um die Wahl ihres eigenen Staatsoberhaupts. Umfragen belegen, dass viele Europäer liebend gerne von jemandem wie Kennedy oder Obama regiert worden wären. Auch Europäer, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Kommunismus aufwuchsen, blickten gebannt auf die USA.
Vielleicht rührt die gigantische Empörung über Amerikas Kriege aus der Enttäuschung über den Bruch des Idealbildes her. Man würde sich wünschen, dass auch andere Staaten idealistischer gesehen werden. Oder dass man die Messlatte für Amerika nicht mehr so hoch hängt.
Und wenn bei der nächsten militärischen Aktion der USA wieder die Strassen schwarz voller berechtigt Empörter sind, möchte man ihnen doch freundlich zurufen: „Willkommen ihr Zurückgekehrten- nach der Demopause damals, als in der Ukraine Schlachtfest war.“
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